Degenerative Erkrankungen der Lendenwirbelsäule

Bandscheibenvorfall und Spinalkanalstenose

Die Wirbelsäule ist das tragende Element des menschlichen Körpers. Sie besteht aus 24 Wirbeln, die über 23 Bandscheiben zu sogenannten Bewegungssegmenten miteinander verbunden sind, sowie aus zehn Wirbeln, die zu Kreuz- und Steißbein verwachsen sind. Kommt es zu Störungen in diesem Stützapparat, haben diese Auswirkungen auf den gesamten Körper.

Degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule spielen heutzutage eine bedeutende medizinische und auch gesundheitsökonomische  Rolle.  Nahezu 50 Prozent der Bevölkerung erleidet zumindest einmal im Leben relevante Rückenschmerzen („Hexenschuss“). Die konservative und operative Behandlung lumbaler Bandscheibenvorfälle gehört zur täglichen Routine des spinalen Chirurgen.

Die häufigsten Störungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind Spinalkanalstenosen (einer umschriebenen Einengung des Wirbelkanals) und Bandscheibenvorfälle (Austritt des weichen Gallertkerns der Bandscheibe durch einen Defekt des festen Faserrings). Während ältere Menschen häufig an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, insbesondere der einer Spinalstenose leiden, treten Bandscheibenvorfälle vorwiegend zwischen dem 4. und 6. Lebensjahrzehnt auf. Übermäßige körperliche Beanspruchung, Bewegungsmangel,  genetische Prädisposition und vermutlich auch lokale aseptische Entzündungsprozesse  beeinflussen die multifaktoriell bedingte Entstehung beider Störungen.

Beim lumbalen Bandscheibenvorfall (= Discushernie) werden die Rückenschmerzen meist von ausstrahlenden, radikulären Beschwerden begleitet. Durch den Druck auf austretende Nerven aus dem Rückenmark kommt es zu Irritation und Kompression der Nerven und in weiterer Folge können sich Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen sowie Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen entwickeln.

Zur Diagnostik eines Bandscheibenvorfalls, müssen die Beschwerden ausführlich vor allem hinsichtlich Lokalisation und Dauer erhoben werden. Die klinischen Untersuchung zielt auf eventuelle neurologische Ausfallserscheinungen wie Lähmungen, Gefühlsstörungen oder Blasen- Mastdarmstörungen ab. Besteht anhand der klinischer Untersuchung der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall, so stellt eine Kernspintomographie (MRT) die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Alternativ kann auch eine Computertomographie (CT) durchgeführt werden.

Da der überwiegende Anteil der Bandscheibenvorfälle (bis zu 90%)  durch konservative Therapiemaßnahmen beherrscht werden kann,  ist anfangs, insbesondere bei Fehlen von neurologischen Ausfällen,  stets eine angemessene nichtchirurgische Behandlung  anzustreben. Wenn die konservative Therapie (medikamentös, lokale Infiltrationen, körperliche Schonung, Physiotherapie) nach 4 bis 6 Wochen keine Besserung bringt oder wenn neurologische Ausfälle bestehen (Lähmungen, Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen), wird eine Operation empfohlen.

Die mikrochirurgische (=mikroskopisch geführte)  Sequesterentfernung stellt derzeit das operative Standardverfahren beim lumbalen Bandscheibenvorfall dar. Die endoskopische Operation ist  in ausgewählten Fällen eine Behandlungsoption, birgt jedoch eine potentiell höhere Komplikationsrate. Bei korrekter Indikationsstellung kann nach lumbaler Bandscheibenoperation mit Erfolgsraten zwischen 70 und 94 %  gerechnet werden.

Bei der lumbalen Spinalstenose handelt es sich um eine degenerativen Veränderung der Wirbelsäule, bei der durch eine umschriebenen Einengung des Wirbelkanals ebenfalls Irritationen des Rückenmarks und der abgehenden Nerven möglich sind.  Diese Verengung wird

meist durch eine Kombination aus degenerativ vergrößerten Wirbelgelenken, verdickten Bandstrukturen sowie Bandscheibenvorwölbungen ausgelöst und kann mit einer Instabilität des betroffenen Wirbelsegmentes einhergehen. Letztlich handelt es sich bei der Spinalstenose um eine Abnutzungserscheinung der Wirbelsäule, die dementsprechend vor allem im höheren Alter auftritt.  Analog zum Bandscheibenvorfall und anderen Störungen der Wirbelsäule sind in der Diagnostik eine ausführliche Anamnese und das klinische Beschwerdebild entscheidend.

In den meisten Fällen zeigen Patienten unter Belastung (Stehen und Gehen) beidseitige Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Beine. Missempfindungen und Schwächegefühl der Beine und eine dadurch oft auf wenige Meter eingeschränkte Gehstrecke sind klassische Zeichen dieser Erkrankung. Obwohl die Patienten beim Fahrradfahren oder bei Inklinationsstellung (beispielsweise gestützt auf einen Einkaufswagen) kaum Beschwerden haben und typischerweise in Ruhe praktisch beschwerdefrei sind, kann die Mobilität bereits massiv eingeschränkt sein. Die Kernspintomographie (MRT) und die Computertomographie (CT) machen die Stenose und die betroffenen Segmente sichtbar und stellen somit auch das Mittel der Wahl zur Diagnosesicherung dar.

Wird die klinische und bildgebende Diagnose einer Spinalstenose gestellt, so wird primär ebenfalls ein konservativer, nichtchirurgischer Therapieansatz versucht werden. Zeigen sich nicht-invasive Maßnahmen nach mehrwöchigem Versuch allerdings als wirkungslos oder unzureichend muss hier zur operativen Versorgung geraten werden. Im Gegensatz zur Discushernie, deren Beschwerden sich meist zurückbilden, erweisen sich die Beschwerden der Vertebrostenose häufig als anhaltend.

Die mikrochirurgische Erweiterung des Wirbelkanals stellt hier den Therapiestandard mit der höchsten Erfolgsrate und Patientenzufriedenheit dar. Bei diesem Verfahren werden unter Schonung der kleinen Wirbelgelenke und der Bänder der Wirbelsäule (= hinteren Zuggurtung der Wirbelsäule) bestehende Engstellen im Wirbelkanal chirurgisch erweitert ohne die Stabilität der Wirbelsäule übermäßig zu gefährden. Überblickend stellt die lumbale Spinalstenose den häufigsten Grund dar, im Alter von über 65 Jahren an der Wirbelsäule operiert zu werden. Zusätzlich nimmt infolge der veränderten Altersstruktur der Gesellschaft die Zahl der durchgeführten Operationen kontinuierlich zu.

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